weltwaerts-Bericht
veröffentlicht am 05.10.2011
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Beckers Dane * St

dane beckers

 

http://ruanda.dane-beckers.eu

 

weltwärts-Bericht September 2011

– Onlineversion –

 

Bericht:                              September 2011 (4/4)

Ausreiseort:                       Kigali (Ruanda)

Ausreisezeit:                      Sep. 2010 – Sep. 2011

Entsendenorganisation:     artefact gGmbH

Partnerorganisation:          Association pour la conservation de la Nature au Rwanda (ACNR)

 

 

Addis Abeba den, 25. Sep. 2011

 

Hallo zusammen,

ein Jahr liegt nun hinter mir ... naja eigentlich fühlt es sich eher an wie 4 Monate; ein wohl besseres Zeichen kann es eigentlich nicht geben. Es war echt gut. 54 Wochen voller Erfahrungen, Herausforderungen, Neudenken, Abenteuer, neuer Sichtweisen, Lernen aber auch Spaß und Lebensfreude.

 

Wie es dazu kam:

Schon lange hatte ich Interesse mal „Entwicklungsarbeit“ zu machen oder zumindest kennenzulernen. Hinzu kommt, dass ich durch meine auslandsgeprägte Kindheit und Jugend, bereits viele Länder kennen lernen durfte, doch so richtig anders waren diese nicht und so zog es mich raus in eine „mal ganz andere Welt“. Somit ging ich letztendlich weltwärts, den „entwicklungspolitischen Freiwilligendienst“ (nicht nur zuletzt, da ich keine Stelle für meinen Beruf in der Entwicklungszusammenarbeit gefunden habe). Bei der Entsendeorganisation artefact habe ich mich auf interessante Stellen beworben und wurde aufgenommen. Eine Partnerorganisation in Kigali/Ruanda suchte einen Freiwilligen mit GIS-Erfahrung (Geographisches Informationssystem), was doch schon meinem Beruf recht nahe kam.

 

Die Vorbereitung:

In Deutschland nahm ich mit 19 weiteren Freiwilligen, die auch alle, wie ich, nach Ostafrika gingen, an zwei einwöchigen Vorbereitungsseminaren teil. Die Seminare brachten mir

·      wichtige und hilfreiche Informationen über Land und Leute sowie zum Programm,

·      mich in einer Gruppe auf diesen großen Schritt innerlich vorzubereiten (wozu ich vorher in meinem stressigen Alltag kaum kam) und

·      Sensibilisierung, wobei es bei weltwärts eigentlich geht; um die Erfahrung, den Austausch sowie das persönlich Lernen  und erst im weitesten Sinne um Entwicklungsarbeit.

 

In Ruanda:

Ich war nicht alleine, allein von unserer Entsendeorganisation waren wir vier in Kigali, dazu kamen an die 30 weitere Weltwärtsler der anderen Entsendeorganisationen. Gewohnt habe ich zusammen mit Martin (anfangs Karo) und Till in einem recht großzügigen Haus in ruhiger Lage mit Traumaussicht auf Kigali-City. Außer europäischen Luxus wie Warmwasser, Kühlschrank und Waschmaschine war das Haus echt super ausgestattet.

Die Community zwischen Freiwilligen in Ruanda und drüber hinaus habe ich als sehr groß, gut vernetzt und als sehr angenehm empfunden. All das möchte ich nicht missen – die vielen Gespräche halfen, sich selbst zu reflektieren, Erfahrungen auszutauschen, auf Neues, Eklatantes, Interessantes, Kulturelles und Imposantes aufmerksam zu werden und sich über viele kleine Alltags Tipps & Tricks auszutauschen – doch das Zusammenwohnen und die Community führte auch (zumindest bei mir) ein bisschen dazu, weniger mit Einheimischen was zu unternehmen umso ggf. noch etwas intensiver Ruanda kennengelernt zu haben.

 

Die Arbeit:

Zusammen mit Till arbeitete ich auch in der Partnerorganisation „Association pour la Conservation de la Nature au Rwanda“ (ACNR). Hier war besonders am Anfang das Problem, dass es häufig keine Aufgaben für uns gab und wir uns unsere Aufgaben selber suchen mussten. Anfangs habe ich mich recht schwer damit getan, da ich ja weder das Land, noch die Organisation wirklich kannte. Was habe ich letztendlich gemacht:

·      Technischen Support (bei Computerfragen geholfen, Email-Adressen eingerichtet, etc.)

·      auf einigen wenigen Fieldtrips Fahrer und Photograph gespielt

·      an paar Kleinigkeiten im Büro mitgearbeitet (unter anderem ein Proposal mitgeschrieben)

·      an der Bibliothek und deren digitale Erfassung gearbeitet

·      an einigen Workshops, Seminare, Meetings und Ähnliches teilgenommen

·      eine neue Homepage geschrieben

·      zusammen mit Till unsere beiden eigenen Projekte durchgeführt, wofür uns Projektgeld unserer Vorgänger zu Verfügung stand

In unserem ersten Projekt haben wir einen Workshop für unsere Nature Clubs (ACNR hat mit 7 Nature Clubs von vers. Schulen und Unis eine Partnerschaft) organisiert, wo es darum ging ihre Arbeit zu unterstützen und ggf. zu motivieren weitere Nature Clubs in Nachbarschulen zu gründen. Themen waren unteranderem, Strukturen eines NC, Mitgliederwerbung, Netzwerkbildung unter den NCs und Projektideen.

Das zweite Projekt war eher praktisch orientiert, zusammen mit einem Nature Club haben wir einen organischen Schulgarten implementiert.

Besonders durch unsere beiden Projekte habe ich unheimlich viel gelernt. Organisation und Durchführungen in fremden Kulturen (nicht nur sprachlichen Barrieren) bringen viele erfahrungsreiche Fehler, Unglücke und Enttäuschungen aber auch viele erfahrungsreiche Erfolge, Fortschritte und Freude mit sich.

Natürlich habe ich aber auch ganz praktische Dinge gelernt, wie zum Beispiel durch meine IT- und Homepagearbeiten. Ebenso durfte ich die Erfahrung machen, mich auf „höherem Parkett“ zu bewegen, wo ich zum Beispiel ACNR auf Treffen in Ministerien vertreten durfte.

Besonders habe ich aber kennengelernt was NGO-, Umwelt- und Entwicklungsarbeit überhaupt konkret bedeutet, wie sie funktioniert und worum es eigentlich dabei geht. Erfahrungen und Kenntnisse, die vielen nicht unbekannt ist, jedoch in Deutschland eher nur Insider wissen, weil man sich damit nur ungerne kritisch auseinandersetzt.

 

Politik / Kultur:

Natürlich lernt man überwiegend durch sein Leben an sich in Ruanda. All diese Erfahrungen sind so umfangreich und ungreifbar, dass man sie nicht in Worte fassen kann. Hierzu zählt hauptsächlich Kulturelles, aber auch eine ganz andere Staatsform, mit zum Teil (für unser Verständnis) äußerst fragwürdigen Erscheinungen wie

·      Parteien, die durch die Regierungspartei anerkannt werden müssen,

·      Wahlergebnis von annähernd 100%,

·      jede Menge Gerüchte (!)  über Staatssicherheit, heimliche ethnische Bevorzugung und korrupte Justiz,

·      staatlich kontrollierte Presse, mit fast ausschließlich positiven Meldungen,

·      patrollierendes Militär und Polizei in der gesamten Stadt oder

·      scheinentwicklungspolitische Entscheidungen wie zum Beispiel Strohdächer schon Monate vor der Verteilung der neuen Wellbleche polizeilich herunterzureißen oder die Schulsprache innerhalb von wenigen Ferienwochen umzustellen, obwohl die meisten Lehrer diese Sprache noch nicht beherrschen.

Aber man lernt auch ein wenig die Gründe dahinter zu verstehen und zum Teil Verständnis dafür zu haben. Besonders für die Außenpolitik, internationale Anerkennung und Bewilligung von Entwicklungsgeldern ist es entscheidend eine demokratische Staatsform zu besitzen, auch wenn die Gesellschaft dafür vieleicht noch gar nicht bereit ist und sie Kontrolle und Führung bräuchte, um sich vor Ideologien und ergebnislosen politischen Diskussionen zu schützen und sie „peu à peu“ an Demokratie zu gewöhnen. Eine schöne Anekdote hierzu hat mir eine US-Freiwillige erzählt. 4 Amerikaner und 4 Ruander sollten angeben, was für sie Demokratie bedeutet: Die Amerikaner gaben Sachen wie Gewaltenteilung, Presse- und Meinungsfreiheit an, während die Ruander dagegen Sachen wie Frieden, Stabilität und Ernährungssicherheit angaben.

 


Zwischenseminar, Urlaube, Besuche, Ausflüge, Freizeit, Freunde:

Auch privat war das Jahr echt erlebnisreich und schön, so bescherte mir mein Jahr viele Ausflüge und kleinere Reisen innerhalb Ruanda, eine Rundreise durch den Südwesten Ugandas, einen 3-Tage-Trip nach Bujumbura (Hauptstadt Burundis) und viele schöne Abende und Wochenenden in Kigali. Trotz, dass solche Reisen natürlich absolutes Privatvergnügen sind, denke ich, dass sie dennoch ein wichtigen Teil und Erfahrungswert von weltwärts ausmachen. Gerade bei mir habe ich festgestellt, wie man noch intensiver das Land kennenlernte und Vergleiche zu Nachbarstaaten und anderen Projektstellen ziehen konnte, was mir unheimlich geholfen hat das „eigene“ Land und Projekt nochmal besser zu reflektieren, Dinge zu erkennen und zu verstehen.

Ähnliches gilt natürlich auch für das Zwischenseminar. Das Zwischenseminar half Vergangenes nochmal zu passieren zu lassen und die restliche Zeit, nachdem man nun Land und Projekt kannte, etwas konkreter zu planen und einen unterstützenden Rahmen zu geben. Daher würde ich das Zwischenseminar vllt. sogar eher nach vorne schieben, etwa nach den ersten vier Monaten.

Auch den Besuch meiner Eltern und einer Freundin von mir fand ich total Klasse und freute mich richtig, wie ich einerseits ein wenig zu einem realistischen Afrika-Bild beitragen konnte (ich setze auf Mund-zu-Mund-Propaganda) und andererseits meiner Mutter (als sehr erfahrende Reisverkehrskauffrau) einmal ein Land von der nicht nur touristischen Seite zeigen konnte.

Obwohl ich nur 18 Urlaubstage und eine Arbeitszeit bis 16, 17 Uhr hatte, kam meine restliche Freizeit nicht zu kurz und ich kann wirklich behaupten, meine Zeit sehr genossen zu haben.

 

Sehnsüchte & Vorfreuden:

Natürlich möchte ich nicht meine beiden obligatorischen Listen auslassen, was ich vermisse:

·      offene Termingebundenheit

·      Motoradtaxis, die einen für wenige Cents schnell überall hinfahren

·      Gelassenheit

·      geringes Preisniveau

·      dass es irgendwie doch immer klappt

·      meinen coolen Chef

·      mein Zuhause, mit dem Traumblick über die Stadt

·      Feilschen/Handeln

·      Freunde

·      Nightlife

·      und der ganze Lifestyle einfach

und auf  was ich mich wieder freuen werde:

·      warme Dusche und Waschmaschine

·      Pünktlichkeit

·      Freunde / Familie

·      eine ausfüllende Arbeitsstelle

·      meine Ehrenämter (Kirche und ganz besonders Pfadfinder)

·      das Gefühl nicht zu viel gezahlt zu haben/nicht übers Ohr gehauen worden zu sein

 

Kritik:

Ein großes Problem von weltwärts ist (wie allgemein bekannt), dass Freiwillige häufig nicht eine ausfüllende Arbeit haben – was unumstritten aber auch eine interessante Erfahrung und Herausforderung sein kann, auf die Freiwillige viele Alternativen finden: Surfen/Facebooken, Urlaub, viele kleine private Beschäftigungen (Führerschein, Shopping, Freunde, Party, etc.), eigene Projekte, Versuch in laufende Projekte eingebunden zu werden und vieles andere. Nicht alle diese Möglichkeiten sind natürlich im Sinne der Sache, daher finde ich es umso wichtiger, Freiwillige darauf vorzubereiten. Die Erfahrung, eigenmotiviert Projekte zu starten, finde ich sehr wertvoll.

Ich empfand die Begleitung von unserer Entsendeorganisation als genau richtig. Mit Sicherheit bietet sie nicht den Betreuungsumfang wie einer der großen Entsendeorganisationen, dafür war es (meiner Meinung nach) genau das richtige Verhältnis: Sensibilisierung mit viel Freiheit und Möglichkeit eigene Erfahrung zu machen, wobei man sich einen guten Rückhalt sicher sein durfte.

 

Resümee:

Mit Blick zurück auf den Beginn oder sogar noch kurz vor der Ausreise hat sich doch einiges getan. Vor allem worum es mir ging und was mir wichtig war. Damals war mir wichtig, einmal raus aus der westlichen Welt zukommen, rein in eine andere Welt, die Welt der anderen Kulturen, der „Entwicklungsländer“. Zudem wollte ich einfach mal Entwicklungsarbeit kennenlernen bzw. in dieser agieren, mein Berufswissen mal in sozialen oder entwicklungshelfenden Projekten „sinnvoll“ anwenden. Ein Jahr später habe ich nochmal ein bisschen mehr verstanden, was weltwärts wirklich heißt: Es ist vielmehr ein eigenes Lernprogramm als ein „entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“. Zwar weiß man das vorher, aber jetzt kann man es sich auch vorstellen.

Zusammengefasst bin ich super glücklich und zufrieden, ich kann jedem nur empfehlen so eine Chance zu nutzen. Es prägt, bringt unheimlich hohe Lebenserfahrung, stärkt Selbstbewusstsein, lernt Dinge neu zu betrachten und vieles mehr.

 

Dank:

Natürlich möchte ich es nicht versäumen allen zu danken. Zunächst einmal an das Programm „weltwärts“ selber, und alle, die dieses Programm realisiert haben. Ein ganz großes Dankeschön geht an Frank R. Lüshow, der solivol „macht“, sein nahezu unendlicher Einsatz für dieses Projekt, danke! Dann möchte ich mich bei allen Leuten in Ruanda bedanken, die für mich da waren und mich unterstützt haben – ganz besonders mein Chef Serge und vor allem Peterson, unserem Nachbarn und Freund. Natürlich danke ich auch meinen vielen Spendern  und allen, die mich so vielseitig (Weblog, telefonisch, E-Mail, Chat) begleitet haben.

 

Allen ein ganz großes Dankeschön!

 

 

Euer Dane